Weihnachten 22

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Das göttliche Wort, das nicht sprechen kann

An Weihnachten steht der Logos, wie es auf Griechisch heißt, das göttliche „Wort“, als ein Kind vor uns, das nicht sprechen kann. Der Ewige: ein Neugeborenes in der ersten Morgenstunde Seines Lebens.

Ein neugeborenes Kind macht keine Angst: Es kann sich nur anvertrauen. Es kann nur leben, wenn jemand sich seiner in Liebe annimmt. Wie jedes neugeborene Kind wird dieser Jesus nur leben, wenn Er geliebt wird und weil Er geliebt wird.

Wir stehen hier vor dem zentralen Punkt, vor der Mitte des Mysteriums: Jesu Geburt markiert die Wasserscheide auf dem Weg der Begegnung zwischen Mensch und Gott. Jahrtausendelang haben Menschen Gottes Antlitz gesucht, sie haben versucht, ein Wort von Ihm zu hören- im Donnerhall oder im Säuseln des Windes. Und nun tut sich unversehens der Himmel auf und es geschieht das Unmögliche. Und das auf eine völlig überraschende Weise, die den menschlichen Denkhorizont sprengt.

Ein Kind, in Windeln gewickelt, in einem Futtertrog. Ein Kind: nichts Ungewöhnliches. In Windeln: geradezu banal. Und ausgerechnet dies soll das Zeichen sein, das Gott gekommen ist?!

Dass Gott selber ein verletzlicher Mensch geworden ist, dass Er die menschliche „Zerbrechlichkeit“ angenommen hat, genau dies ist die Chiffre Seines Daseins in unserer Mitte; Er geht an unserer Seite als einer von uns. Und darin offenbart sich der himmlische Vater. Das sprengt unsere gängigen Vorstellungen von Gott.

Gott – im ganz Kleinen.

Sein Wort: der Schrei eines Neugeborenen.

Gott: bedürftig.

Gott: angewiesen auf liebevolle Zuwendung,

auf ein Lächeln,

auf eine Hand, die Ihn zärtlich streichelt,

auf eine Brust, die Ihn stillt.

Ein Kind in Windeln, in einem Futtertrog:

Dies ist das Zeichen,

das den Hirten- und uns- gegeben wird,

um Ihn zu erkennen.

Wie die Hirten, so sollten auch wir uns die Zeit nehmen, vor dieser Krippe zu verweilen. Bleiben wir stehen und betrachten wir sie einmal mit neuen Augen. Einem oberflächlichen Blick entgeht es, doch darin verbirgt sich etwas, was der Dreh- und Angelpunkt, das alles Entscheidende für unser Leben werden kann.

Weitergebener Text von Ermes Ronchi